Ich wusste, dass es keine gute Idee war, die Verantwortung für die Osterüberraschung an Daniel zu übergeben. Wirklich. Aber irgendwie hatte er es geschafft, uns alle zu überzeugen, dass er das „coolste, kreativste und gleichzeitig sinnvollste“ Osterevent aller Zeiten auf die Beine stellen würde.
Und jetzt standen wir hier, mitten im Garten meiner Eltern, und ich hatte keine Ahnung, wo zum Kuckuck mein eigenes Osterei war.
„Also, ich finde, das war eine geniale Idee von mir!“, rief Daniel stolz und warf sich dramatisch auf den Liegestuhl, den Flo vorher liebevoll vom Staub befreit hatte.
„Genial?“, schnaubte Sonja empört. „Ich suche seit zwanzig Minuten mein Ei und hab stattdessen zwei angeschmolzene Schokohasen und einen Regenwurm gefunden.“
Flo grinste breit. „Na, immerhin lebt der Regenwurm noch, der Schokohase hat den Nachmittag ja sichtbar nicht überstanden.“
Ich schüttelte lachend den Kopf und hielt mir die Hand vor die Stirn, um besser sehen zu können. Die Sonne war zwar nicht besonders warm, aber sie blendete ordentlich. Yannik trat neben mich, sein Arm schob sich ganz selbstverständlich um meine Taille.
„Deins hab ich auch noch nicht gefunden“, sagte er leise. „Aber ich bin mir sicher, meins liegt irgendwo im Hochbeet. Daniel hatte vorhin so ein verräterisches Grinsen gehabt, als ich mich daran gestoßen habe. Nur blöd, dass dort aktuell noch alles voller Unkraut ist.“
Ich grinste. „Schon blöd, wenn man zwar einen großen Garten hat, aber die eigenen Eltern mehr unterwegs sind und dadurch immer nur das Nötigste gemacht wird. Ich vermute ja, dass meins auf der Gartenlaube liegt, denn als ich dort mehrmals drumherum gelaufen bin, hatte Daniel mich grinsend beobachtet. Und die Leiter ist auch nicht mehr im Schuppen, aber ich sehe sie sonst auch nirgends.“
„Ich finde meins nie!“, rief Marlene und ließ sich mit einem genervten Seufzer auf den Rasen plumpsen. „Bisher hatte ich eins entdeckt, aber das war von Flo!“
Flo, der sich gerade an einem Ast zu schaffen machte, blieb wie ertappt stehen.
„Was, du weißt, wo meins ist, und hast es mir nicht gezeigt?“
Marlene drehte sich zu ihm um. „Warum auch? Ich muss ja schließlich meins auch selbst finden!“
Flo atmete tief durch. „Naja, da hast du natürlich recht.“
Wir brachen in Gelächter aus. Irgendwie war das typisch für unsere Clique. Chaos, Lachen, ein bisschen Albernheit und trotzdem ein Herz voller Wärme.
Sonja reckte plötzlich den Arm in die Höhe. „Ich hab mein Ei gefunden! Unter einem Pappkarton hinter der blauen Tonne! Mann, Daniel, wie soll man denn darauf kommen, dass du den Müll mit benutzt!“
„Tscha, warum sollte ich es euch so leicht machen? Schließlich habe ich mir die ganze Arbeit gemacht, während ich leer ausgehe! Oder hat einer von euch auch eins für mich versteckt?“ Grinsend sahen wir anderen uns an.
„Wer weiß“, erwiderte schließlich Sonja und lief zu einem Gartenstuhl. „Dann genieße ich jetzt auch mal das Gewusel.“ Lachend ließ sie sich auf den Stuhl fallen.
Yannik beugte sich etwas zu mir runter. „Ich hab zwar dein Ei nicht gefunden, aber … ich hab was anderes.“
Er zog etwas aus seiner Jackentasche – ein kleiner, filigraner Schlüsselanhänger in Form eines Pinsels. Mein Herz machte einen kleinen Sprung.
„Ich weiß, dass du in letzter Zeit so viel gezeichnet hast … und irgendwie fand ich das passend.“ Seine Stimme war ganz leise, fast schüchtern.
Ich sah ihn an, und mein Herz fühlte sich plötzlich so leicht an wie ein Schmetterling.
„Der ist wunderschön“, flüsterte ich. „Danke.“
Yannik lächelte. „Frohe Ostern, Jasi.“
Bevor ich etwas erwidern konnte, schrie Marlene auf. „Da ist es! Flo! Mein Ei war in deinen Gartenlatschen!“
„Iih!“, schrie Sonja und schüttelte sich. „Ein Glück ist da eine Schale drum.“
Yannik grinste mich an. „Wenn du wirklich denkst, dass deins auf der Laube liegt, dann lass uns eine Räuberleiter machen. Ich heb dich hoch, dann kannst du nachsehen.“
Ich nickte und schon bildete er mit seinen Händen eine Trittfläche. Mit etwas Armkraft zog ich mich hoch und spähte über den Rand der Laube. Tatsächlich, dort lag ein buntes Ei!
„Da liegt eins!“, rief ich aufgeregt.
Yannik half mir runter und wir liefen gemeinsam zur anderen Seite, wo er mich noch einmal hochhob, damit ich es greifen konnte. Als ich es in der Hand hielt, drehte ich es um und tatsächlich stand da mein Name drauf.
„Und wo hat Daniel jetzt die Leiter versteckt?“, fragte ich.
„Im Haus“, rief Daniel von seinem Liegestuhl aus. „Genau da, wo ihr vorhin alle dran vorbeigelaufen seid.“
„Oh Mann, da müssen wir wirklich blind gewesen sein.“ Lachend ließ ich mich von Yannik wieder auf den Boden absetzen.
Gemeinsam mit Yannik machte ich mich nun auf die Suche nach seinem Ei im Hochbeet. Nach einigem Kramen zwischen Brennnesseln fand er es schließlich, etwas eingegraben zwischen den Pflanzen.
Inzwischen hatten sich alle anderen hingesetzt und beobachteten Flo, der immer noch auf der Suche war. Flo kratzte sich ratlos am Kopf und musterte den Baum von allen Seiten, den Marlene ihm als kleinen Hinweis gegeben hatte.
„Das kann doch nicht wahr sein! Ich hab den Baum doch schon mehrmals abgesucht!“ Er klopfte sogar gegen den Stamm, als könnte das Ei dadurch herausfallen.
Marlene lehnte sich genüsslich zurück und grinste. „Dass du so lange brauchst, um das zu finden, wundert mich. Ich hatte es innerhalb von fünf Minuten dort entdeckt.“ Sie deutete mit einer überdreht langsamen Bewegung auf eine knorrige Einbuchtung in etwa zwei Metern Höhe. Flo starrte sie an.
„Warte… du meinst…?“ Plötzlich erinnerte er sich an seinen gescheiterten Kletterversuch zu Beginn der Suche. Mit einem energischen Sprung zog er sich am Ast hoch und tastete in der Vertiefung herum. „Ha! Da ist es ja!“ Triumphierend hielt er das bunte Ei in die Höhe, wobei er fast das Gleichgewicht verlor.
„Endlich“, seufzte Marlene theatralisch und rollte mit den Augen, während wir alle schmunzelten. „Ich dachte schon, ich muss dir noch einen Tipp geben.“
„Ja, ja, sehr witzig“, brummte Flo, ließ sich aber nicht die gute Laune verderben, als er zu uns auf die Wiese kam und gleich sein Ei schälte.
„So“, sagte Sonja und richtete sich auf, um ihren Freund anzustupsen, „nun kannst du auch suchen. Auch für dich haben wir etwas versteckt. Als Dankeschön.“
Während Daniel loszog und komplett die falsche Richtung einschlug und lieber zwischen den Blumentöpfen suchte, statt beim Holzstapel, wo es lag, überlegte ich, wie lange er wohl brauchen würde, bis er den Kugelschreiber mit der Gravur „KFZ-Meister Daniel“ fand. Wir fünf hatten dafür zusammengelegt, nachdem seine Kulis in der Werkstatt immer auf mysteriöse Weise verschwanden.
Wir alle brachen erneut in schallendes Gelächter aus, als Daniel schließlich mit hängenden Schultern zurückkam. Und während ich da zwischen meinen besten Freunden saß, die Sonne auf der Haut spürte und Yannik neben mir leise lachte, wusste ich:
Dieses Chaos. Diese Menschen. Dieser Moment – das wird mit das schönste Osternfest sein, welches ich bisher hatte. Nicht perfekt. Nicht ordentlich. Aber voller Freundschaft.
Schreibe einen Kommentar