Osterferienausflug oder warum wir fast unsere Clique aufgelöst hätten

Eigentlich klang es nach einer genialen Idee: ein Ausflug zur Sommerrodelbahn, frische Frühlingsluft, ein bisschen Action, ganz viel Lachen, genau das, was wir nach den Ostertagen brauchten. Nur wir sechs, ein paar Schlitten auf Schienen und die Hoffnung auf ein bisschen Adrenalin.

Aber wie so oft bei uns war es dann doch alles andere als entspannt.

Schon auf dem Parkplatz ging das Gezanke los, wer mit wem fährt, und am Ende bildeten sich, wie zu erwarten, ohnehin nur die Pärchenpaare: Flo und Marlene, Daniel und Sonja und ich mit Yannik.

Ich hatte mir das romantischer vorgestellt. Gemeinsam durch die Kurven gleiten, ein wenig schreien, dann lachen, sich festhalten, so wie im Film. Doch stattdessen bekamen wir uns alle erst dort so richtig in die Haare!

„Wuhuuu!“, hörten wir Daniel und Sonja die Bahn hinuntersausten, als wären sie in einem Actionfilm, während Yannik erneut im Zeitlupentempo durch die Kurve schlich.

Ich lehnte mich zurück, versuchte, die Aussicht zu genießen, doch Yannik bremste erneut , obwohl er schon mehr als langsam fuhr.

„Yannik, willst du vielleicht noch eine Blume pflücken, während wir fahren?“

„Ich will halt nicht, dass wir rausfliegen, okay?“, konterte er seelenruhig und zog die Bremse noch ein Stückchen fester.

„Wir fahren im Schneckentempo!“, fauchte ich. „Die Leute hinter uns holen uns noch ein, wenn du so weiter kriechst!“

„Dann kannst du ihnen wenigstens höflich winken.“

„Als ob ich zum Winken komme. Die fahren uns schneller auf, als dass ich meine Hand heben kann!“ Ich war mittlerweile mehr als auf hundertachzig und hätte ihm am liebsten die Bremse aus der Hand gerissen.

Flo und Marlene waren schon nach drei Sekunden verschwunden, da sie sich regelrecht in die Kurven geworfen hatten.

Doch als wir endlich wieder oben ankamen, stand Marlene mit wild zerzausten Haaren und funkelnden Augen neben Flo.

„Flo! Muss man eigentlich jede Kurve so nehmen, als würde man um sein Leben rasen?“

Flo hob nur die Schultern. „Ich dachte, wir wollen Spaß?“

„Ich wollte überleben!“, schnappte Marlene und rieb sich ihren schmerzenden Ellenbogen.

„Immerhin hattest du Wind in den Haaren“, grinste Daniel, der mit Sonja völlig entspannt danebenstand.

„Und keine Mücke im Auge, im Gegensatz zu mir“, lachte Sonja und lehnte sich an ihn. „Aber das war’s wert.“

„Freut mich, dass wenigstens ihr die Fahrt genießen konntet“, murmelte ich und erzählte von unserer Schneckenexpedition mit Yannik.

Doch bevor wir uns versahen, ging es schon wieder los.

„Nochmal!“, drängelte Daniel, während er Sonja schon Richtung Schlitten zog.

„Ja, aber diesmal ohne Todesangst!“, rief Marlene und starrte Flo an, als wäre er ein Verbrecher.

„Und du“, flehte ich Yannik an, „bitte, bitte, lass die Bremse wenigstens ein bisschen los!“

Er seufzte. „Okay, aber nur ein bisschen.“

Also ging es wieder los: Diesmal sausten Daniel und Sonja zuerst los, dann Flo mit Marlene, die diesmal immerhin nicht schrie, sondern nur Flos Arm umklammerte, als hinge ihr Leben davon ab. Und dann wir.

Doch Yannik schien die Bremse zu lieben, denn es hatte sich nichts geändert zu vorhin.

„Yannik!“, rief ich nach der dritten Kurve, „Kannst du jetzt endlich mal die Bremse loslassen?“

Er drehte leicht den Kopf. „Mach ich doch schon, ich bin schneller als bei der ersten Runde.“

„Davon merkt man aber nichts! Wir fahren, als würden wir Sonntagnachmittag durch den Park rollen. Und das in Zeitlupe!“

„Ich möchte die Fahrt genießen, Jasi.“

Ich ließ den Kopf nach hinten fallen. Genießen? Ich wollte Adrenalin! Stattdessen tuckerten wir hinterher wie ein Rentnerpärchen auf einer Minigolfbahn.

Oben angekommen, war meine Laune im Keller. Marlene stand neben Sonja und band gerade ihren Zopf neu, während ihr Blick alles verriet.

„Flo ist wahnsinnig“, schnaufte sie. „Ich dachte, ich verliere in der letzten Kurve eine Niere.“

Flo stand ein paar Meter weiter mit Daniel und trank gelassen seine Wasserflasche, als wäre nichts passiert.

„Er hat gebremst, aber wirklich nur aus Prinzip, nicht aus Angst“, zischte Marlene. „Ich glaube, er hält sich für einen Rennrodel-Profi.“

„Immerhin hattet ihr Spaß“, murrte ich und warf Yannik einen bösen Blick zu, der sich zu den anderen drei gesellte. „Ich dachte, wir fahren rückwärts. So langsam war das.“

„Wir könnten stundenlang fahren“, schwärmte Sonja, als die Jungs sich doch entschieden, zu uns zu kommen. „Daniel und ich sind komplett im Flow!“

Daniel stellte sich neben Sonja und grinste. „Vor allem, wie du dich in die Kurven gelegt hast – perfektes Timing!“, schwärmte er und gab ihr einen Kuss.

„So viel Harmonie auf einmal“, murmelte ich. Marlene kicherte leise und ich wusste, dass sie mich gerade mehr als verstand.

Doch das Idyll währte nicht lange, denn Daniel hatte scheinbar auch die Nase voll.

„Könnt ihr mal aufhören, ständig zu motzen? Wir möchten direkt weiterfahren und nicht jedes Mal hier pausieren, nur weil ihr irgendetwas auszusetzen habt! Was haltet ihr davon, wenn ihr die Rollen tauscht? Die Mädels bedienen die Bremsen und ihr haltet euch einfach nur an euren Mädels fest?“

Marlene zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Und was hindert Flo dann daran, trotzdem reinzugreifen? Der ist doch stärker als ich!“

„Und ob Yannik überhaupt die Hände von seiner geliebten Bremse lassen wird,“, fügte ich spitz hinzu, „bezweifle ich.“

„Mir reicht’s!“, platzte Flo heraus. „Euer Gemotze geht mir wirklich langsam auf den Sack!“

Sonja versuchte zu vermitteln. „Dann fahren Jasi und Marlene doch einfach zusammen und … „

„Bringt nichts!“, unterbrachen wir vier gleichzeitig und mussten kurz schmunzeln. Denn trotz alledem schienen wir uns in diesem Punkt einig zu sein.

„Somit bleibt das Problem bestehen“, erklärte Yannik. „Rasen- und Schneckentempo bleibt ja dennoch bestehen!“

„Dann bleibt nur noch diese Lösung:“, erklärte Daniel und schien stolz auf seine Idee zu sein. „Jasmin und Marlene tauschen. Marlene fährt mit Yannik, Jasmin mit ihrem Bruder. Problem gelöst.“

Nach kurzem Gemurmel nickten alle. Die neue Konstellation schien perfekt, bis zur ersten Kurve.

„YANNIK, FAHR DOCH ENDLICH— AHHH!“, kreischte ich, als Flo und ich beinahe in seinen und Marlenes Schlitten bretterten. Flo riss die Bremse so hart, dass mir fast der Atem stockte.

„ER KANN DOCH NICHTS DAFÜR, WENN IHR SO RAST!“, brüllte Marlene zurück.

Erst als wir in der nächsten Runde Yannik und Marlene als Letzte fahren ließen, fand jeder sein Tempo. Daniel und Sonja sausten als Erste los, Flo und ich kurz darauf mit genau der richtigen Portion Adrenalin und die beiden Schnecken konnten in Ruhe ihre Landschaftsfahrt genießen.

Und siehe da: Plötzlich war der Tag doch noch gerettet. Die nächsten Runden verliefen friedlich, und als wir später lachend in der Pommesbude saßen, war vom Streit nur noch eine amüsante Anekdote übrig.

„Nächstes Mal“, sagte Yannik, während er mir eine Cola reichte, „fahren wir einfach gleich getrennt.“

„Oder wir kaufen dir einen Rasenmäher“, konterte ich. „Da bist du wenigstens in deinem Element.“

Und selbst Marlene musste lachen, denn auch ihr war sein Fahrtempo gegen Ende des Tages etwas zu langsam geworden.


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