Kalter Schnee, warme Herzen

Der eisige Wind biss leicht in meine Wangen, während ich zusammen mit Flo, Marlene, Yannik, Daniel und Sonja durch den frischen Schnee stapfte. Wir hatten uns entschieden, den Nachmittag nicht wie geplant im Park zu verbringen, sondern spontan in das kleine Café in unserem Ort zu gehen. Dort konnten wir wenigstens im Warmen ein bisschen quatschen, rumalbern und abschalten.

„Ich sage euch, die heiße Schokolade ist dort unschlagbar“, meinte Daniel, der wie immer versuchte, mit lockeren Sprüchen Sonjas Laune aufzuheizen. „Dafür lohnt sich das Laufen durch diese Kälte auf jeden Fall.“

„Erzähl das mal meinen eingefrorenen Füßen“, murrte Sonja, wobei sie theatralisch stampfte, um ihren Unmut zu zeigen. Ich kicherte. Es war so typisch für sie.

Yannik, der neben mir lief, drückte meine Hand, die er seit wir losgelaufen waren, nicht einmal losgelassen hatte. Seine Finger waren warm und seine Geste löste ein wohliges Gefühl in mir aus. Ich ließ meinen Blick kurz über die Gruppe schweifen: Marlene und Flo liefen voraus, Arm in Arm, während Daniel versuchte, Sonja mit seinen Witzen aus der Reserve zu locken.

Trotz der Heiterkeit schlich sich für einen Moment Wehmut in meinen Kopf. Es war noch gar nicht so lange her, dass diese Clique für mich fast unvorstellbar gewesen wäre. Die Verletzungen, die durch die Mobbingzeit entstanden waren, fühlten sich manchmal noch immer wie eine Narbe an. Aber jetzt, mit meinen Freunden, meinem Bruder und meinem Boyfriend Yannik an meiner Seite, war ich einfach nur dankbar. Ohne sie hätte ich das nicht geschafft.

„Hey, Spatz!“ Yannik stupste mich sanft an und ich blinzelte überrascht zu ihm. „Woran denkst du?“

„Ach, nichts Wichtiges“, murmelte ich und schüttelte die Gedanken an die damalige Zeit ab.

In diesem Moment hörte ich ein dumpfes Geräusch hinter mir, gefolgt von einem überraschten Aufschrei. Ich drehte mich um und sah Daniel, der mit einem großen Schneeball direkt am Rücken getroffen wurde. Sonja hielt sich den Bauch vor Lachen.

„Erst über die Kälte beschweren und dann eine Schneeballschlacht anzetteln“, sagte ich und musste mir das Lachen verkneifen.

“Das wirst du bereuen, Schatz”, rief Daniel und schon hatte er einen Schneeball in der Hand.

Innerhalb von Sekunden war das Chaos perfekt. Schneebälle flogen wild durch die Luft, während wir alle wie Kinder kreischend in Deckung gingen. Ich duckte mich hinter einen Baum, konnte aber nicht verhindern, dass ein Schneeball, geworfen von Flo, meine Schulter streifte.

„Das war gemein!“ rief ich empört, aber Flo lachte nur.

„Gib’s ihm zurück, Jasi!“ rief Marlene, die sich mit mehreren Schneebällen in Position gebracht hatte.

Ich selbst packte schnell Schnee zusammen, formte einen halbwegs festen Ball und warf mit vollen Eifer auf Flo. Dieser tat dramatisch, als hätte ich ihn schwer verletzt und ließ sich in den Schnee fallen.

„Wartet, ich bin verletzt!“ jammerte er. „Niemand darf den Verletzten angreifen.” Dabei zog er Marlene zu sich hinunter, die quiekend auf ihm landete. Schreiend und lachend versuchte sie, sich zu befreien.

Yannik grinste und kam zu mir herüber.

„Du hast wirklich einen guten Wurf, Spatz“, meinte er und sah mich schelmisch an. Doch bevor ich realisierte, dass er mich aufzog, stopfte er mir einen Schneeball in den Kragen.

„Yannik!“ Ich quietschte auf, während Yannik das Gleichgewicht verlor und mich mit sich zog. Wir landeten nebeneinander, lachend und keuchend.

„Es ist schön, dich so lachen zu sehen“, sagte Yannik plötzlich leise.

Ich drehte meinen Kopf zu ihm und sah sein warmes Lächeln. Meine Wangen waren heiß, was zum Glück bei der Kälte niemand bemerkte und mein Herz schlug schneller.

Plötzlich flog ein Schneeball direkt zwischen uns und Sonja rief: „Lasst das Geflirte, wir Mädels brauchen Verstärkung!“

„Na wartet“, murmelte Yannik und zog mich auf die Füße. Gemeinsam stürzten wir uns in die Schlacht, bereit, uns gegenseitig mit Schneebällen zu bombardieren.

Mit roten Wangen und schmerzenden Lachmuskeln beendeten wir irgendwann die Schneeballschlacht. Unsere Finger waren längst gefühllos vor Kälte und die Begeisterung wich langsam der Sehnsucht nach Wärme.

„Dann lasst uns jetzt endlich zum Café gehen“, sagte Flo und klopfte sich den Schnee von der Jacke. „Wenn wir uns beeilen, kriegen wir vielleicht noch ein paar Plätze am Fenster.“

Mit einem letzten Blick auf unser Schlachtfeld machten wir uns auf den Weg.

Eine halbe Stunde später saßen wir endlich im Café und genossen die hoch angepriesene heiße Schokolade von Daniel. Er hatte recht, sie schmeckte wirklich sehr gut. Meine Gedanken schweiften zu unserer Schneeballschlacht und ich musste grinsen, denn so einen lustigen Wintertag hatte ich schon lange nicht mehr. Deshalb wusste ich jetzt schon, dass ich diesen Tag wohl nie vergessen werde.


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