Der Duft von Zimt und frisch gebackenen Plätzchen hing in der Luft, während ich in der Küche stand und das Handrührgerät schwang. Überall lagen Mehlreste und ein paar zerbrochene Eier, die mir vorhin aus der Hand gefallen waren. Chaos pur.
„Sag mal, backst du Plätzchen oder ist hier ein Wirbelsturm durchgefegt?“
Flo lehnte mit verschränkten Armen im Türrahmen und grinste breit.
„Sehr witzig“, erwiderte ich trocken und zeigte mit den Knethaken am Handrührgerät auf ihn. „Wenn du schon nur rumstehst, könntest du mir wenigstens helfen.“
„Ich helfe, indem ich dich nicht aufhalte“, meinte er und hob abwehrend die Hände. “Und außerdem wolltest du heute alles ganz alleine machen, weshalb du ja auch Mama aus der Küche verwiesen hast.“
„Ja, aber nun brauche ich doch mindestens einen Notfallhelfer. Oder willst du, dass wir heute Abend keine Plätzchen haben?“
Ich setzte meinen besten Dackelblick auf und Flo seufzte schwer.
„Okay, okay. Gib her!“ Er schnappte sich das Handrührgerät und die Schüssel und fing an zu kneten. Das Resultat war viel schneller zu sehen als bei mir.
„Wieso geht das bei dir so leicht?“.
„Durch meine Ausbildung habe ich inzwischen keine Wackelpuddingarme mehr”, sagte er beiläufig. “Das ständige Kneten und Heben der Patienten verschafft einem mehr Muskeln, als man denkt.“
Flo grinste nun breit, während er den Teig weiter rührte, als wäre es die leichteste Aufgabe der Welt. „Früher hätte ich dabei auch nach zwei Minuten schlappgemacht, so wie du gerade.”
Ich seufzte und verdrehte die Augen. „Vielen Dank auch.“
Anschließend wandte ich mich dem Backofen zu, um die ersten Kekse herauszunehmen.
Eine Stunde später saßen wir zusammen im Wohnzimmer. Der Weihnachtsbaum war geschmückt, das Licht funkelte in Gold- und Rottönen und leise Weihnachtsmusik lief im Hintergrund. Unsere Eltern waren noch oben, um letzte Geschenke einzupacken, und Flo und ich hatten den Raum für uns.
„Weißt du,“, begann ich und beobachtete die Schneeflocken, die draußen vor dem Fenster tanzten, „ich glaube, die Weihnachtszeit war noch nie so schön wie dieses Jahr.“
Flo hob eine Augenbraue. „Weil du dieses Jahr auch von Yannik ein Geschenk bekommst?“
Ich schüttelte den Kopf und lachte leise. „Nein. Wegen dem hier. Alles ist so … friedlich. Keine Schule, keine Arbeit, keine Probleme, keine Sticheleien, keine Vorwürfe für irgendetwas, kein Stress, keine Lügen, keine Intrigen, …. Ich kann dieses Jahr einfach nur ich sein und den Moment genießen.“
Flo nickte langsam, sein Blick wurde nachdenklich.
„Du hast es super auf den Punkt gebracht, denn genau das liebe ich dieses Jahr auch. Die letzten Jahre habe ich Weihnachten ehrlich gesagt immer irgendwie gehasst.“
Überrascht drehte ich mich zu ihm. „Wirklich?“
„Ja. Ich dachte immer, es sei nur Stress. Geschenke kaufen, Bäume schmücken, alles vorbereiten. Aber jetzt …“ Er machte eine kurze Pause. „Jetzt habe ich auch endlich verstanden, dass es eigentlich darum geht, Zeit mit den Menschen zu verbringen, die einem am wichtigsten sind. Und die nervige kleine Schwester gehört offensichtlich auch dazu.“
„Hey!“ Ich warf ihm ein Kissen an den Kopf, das er mit einem Lachen abwehrte.
„Schon gut, ich meinte natürlich meine unersetzbare kleine Schwester.”
Zwischen uns wurde es ruhig und als ich schon gedanklich wieder zu Yannik schweifen wollte, begann Flo erneut zu sprechen. Sein etwas ernsterer Tonfall ließ mich wieder zu ihm schauen.
“Weißt du, Jasi. Ich bin wirklich stolz auf dich.“
„Wieso das denn?“
„Weil du trotz allem, was dir zugestoßen ist, so stark geblieben bist. Du bist die mutigste und liebenswerteste Person, die ich kenne.“
Meine Kehle schnürte sich zu und ich musste blinzeln, um die aufkommenden Tränen zurückzuhalten. „Danke, aber ohne dich hätte ich das alles nicht geschafft.“
Er legte einen Arm um mich und ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter. In diesem Moment war alles perfekt und ich war so dankbar, meinen großen Bruder immer an meiner Seite zu haben, egal, was noch kommen mag.
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