Lagerfeuerromantik

Die letzten Sonnenstrahlen tauchten den Strand in warmes Orange, als wir unseren Kreis um das Feuer schlossen. Marlene hielt ihren Stock mit der Präzision einer Chirurgin, während Daniels Teigklumpen bedrohlich zur Seite hing wie ein betrunkener Seiltänzer.

„Also ernsthaft“, murmelte Marlene und musterte sein Werk. „Selbst ein Eichhörnchen hätte das besser gewickelt.“

Daniel grinste ungerührt. „Ich nenne es organische Kunst. Der Teig sucht sich seinen eigenen Weg.“

„Der Weg führt direkt ins Feuer“, warf Flo trocken ein und schob ein neues Holzscheit nach.

Ich riss ein Stück meines angebrannten Brotes ab, schmiss es in das Feuer und beobachtete die anderen. Sonja hatte sich halb auf Daniel gelehnt, der ihr eine Colaflasche aufschraubte, mit so viel übertriebener Ritterlichkeit, dass sie ihn augenrollend anstieß. „Wow, Ritter Daniel. Nächstes Mal öffnest du mir auch den Joghurtdeckel?“

„Wenn du mich darum anflehst“, erwiderte er mit gespieltem Stolz.

Yannik saß neben mir, nah genug, dass ich seinen Zitronenlimo-Duft über dem Rauch wahrnahm. Sein Knie berührte meins.

„Dein Teig hält sich tapfer“, flüsterte er und deutete auf meinen Stock.

„Im Gegensatz zu Daniels moderner Kunst“, kicherte ich.

Plötzlich zischte eine Funkenwolke auf. Marlene zuckte zurück und Flo legte instinktiv einen Arm um ihre Schultern. Die beiden hatten diese eigenartige Dynamik, sie, die alles kontrollieren wollte, er, der sie beschützte, obwohl sie es nie zugab.

„Okay, Geschichtenzeit!“, rief Yannik und klopfte gegen seine Flasche. „Ich fange an: Daniel war letztes Jahr beim Zelten der Meinung, er könnte Bären vertreiben und war dann vor einem Waschbären geflüchtet.“

„Lüge!“, rief Daniel. „Das war ein strategischer Rückzug.“

„Mit kreischender Stimme?“, grinste Yannik.

Flo streute Salz in die Wunde. „Du hattest mir sogar mal das Video davon gezeigt.“

Marlene lehnte sich vor, ihr Gesicht im Feuerschein. „Mein Beitrag: Sonjas unfreiwilliges Bad im See, als sie meinte, sie könnte auf dem Boot tanzen.“

„Das war Sabotage!“, rief Sonja. „Die Wellen waren absichtlich gemein!“

Ich lachte, bis Yanniks Finger sich vorsichtig um meine schlossen. „Und was ist mit Jasis berühmtem Sturz vom Fahrrad?“, fragte er schelmisch.

“Danke, Bruderherz! Warum musstest du ihm das auch erzählen?”, dachte ich grimmig. Doch protestierte laut: „Hey, der Hund kam aus dem Nichts!“

„Der Hund saß auf einer Bank“, korrigierte Flo, mein liebevoller Bruder.

Das Gelächter verebbte, als Marlene leise sagte: „Weiß noch jemand, wie wir uns alle im Regen getroffen haben, als zwischen Flo und mir Eiszeit herrschte?“

Eine Pause. Flos Daumen strich über ihre Hand. „Und jetzt sitzen wir alle hier gemeinsam und verbringen den schönsten Sommer.“

Überrascht sah ich zu meinem Bruder und fragte mich, ob er dies wirklich gesagt hatte. Seit wann war er so romantisch?

Wir wurden alle leiser und in der Stille knisterte das Feuer. Yanniks Daumen malte Kreise auf meinen Handrücken und ich spürte, wie mein Herz einen Extraschlag machte.

„Jasi?“, murmelte er.

„Hm?“

„Dein Teig brennt an.“

Verdammt. Ich riss den Stock zurück, zu spät. Ein rauchiges Stück Kohle.

Sonja schnappte sich mein Missgeschick. „Symbolisch! Die Asche ihrer Würde!“

Daniel warf ihr eine Handvoll Popcorn an den Kopf. „Lass sie. Vielleicht ist verkohlt ihr Geschmack.“ Er zwinkerte Yannik zu.

Yannik hielt mir seinen halbierten, perfekten Teig hin. „Teilen?“

In diesem Moment, zwischen Daniels Gelächter, Marlenes Augenrollen und Sonjas dramatischem Raunen („So kitschig!“), verstand ich: Das hier war kein perfekter Filmabend.

Es war besser.

Echt. Chaotisch. Unser.

Und als Yanniks Lippen sich lächelnd an mein Ohr schmiegten und flüsterte: „Nächstes Mal grillen wir Würstchen“, wusste ich: Solche Abende vergisst man nicht. Weil sie nicht vom Feuer warm wurden, sondern von den Menschen, die darum saßen.


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