Es gibt Tage, an denen wir in den Spiegel schauen und uns nur mit einem kritischen Blick betrachten. Wir sehen dann nicht, dass, was uns ausmacht, sondern nur das, was vermeintlich nicht reicht: zu laut, zu leise, zu empfindlich, zu still, zu anders. Ich kenne dieses Gefühl gut. Dieses nagende Gefühl, nicht hineinzupassen, nicht „normal“ und damit irgendwie “falsch” zu sein.
Lange Zeit habe ich geglaubt, mein Anderssein sei ein Makel. Ich habe mich selbst klein gemacht, versucht, weniger zu fühlen, weniger zu reden, weniger ich selbst zu sein. Ich dachte, wenn ich leiser werde, passe ich endlich dazu. Wenn ich mich anpasse, falle ich nicht mehr auf. Aber genau das hat mich unglücklich gemacht. Denn ich habe mich selbst verloren.
Erst viele Jahre später habe ich verstanden: Dieses vermeintliche „zu viel“ oder „zu wenig“ ist keine Schwäche. Es ist das, was mich einzigartig macht. Meine Hochsensibilität, meine Introvertiertheit, mein Nachdenken über Dinge, die andere vielleicht wegwischen – all das ist nicht falsch. Es ist meine Stärke.
Woher Selbstzweifel kommen
Gerade Menschen, die sensibel oder introvertiert sind, tragen Selbstzweifel wie ein schweres Gepäck mit sich herum. Wir hören schneller die abwertenden Kommentare, wir nehmen die stillen Blicke der anderen ernster, wir vergleichen uns dauernd. Selbstzweifel sind jedoch keine Wahrheit. Sie sind das Echo verletzender Erfahrungen
Vielleicht wurdest du ausgelacht, weil du still warst. Vielleicht hast du im Unterricht etwas gesagt und man hat dich nicht ernst genommen. Vielleicht hast du im Freundeskreis gespürt, dass du anders bist. Solche Erfahrungen brennen sich ein. Sie lassen uns glauben, dass wir fehlerhaft sind, dabei sind es nur Wunden, die uns geprägt haben.
Mein persönlicher Weg
Ich musste lernen, mich neu zu sehen. Schritt für Schritt. Das ging nicht von heute auf morgen, sondern durch kleine Momente:
- Affirmationen im Alltag. Jeden Tag habe ich mir bewusst gesagt: „Ich bin wertvoll. Mein Anderssein ist ein Geschenk.“ Am Anfang habe ich es nicht geglaubt, aber mit der Zeit hat sich etwas in mir verändert.
- Die richtigen Menschen. Ich habe aufgehört, um die Anerkennung von Menschen zu kämpfen, die mich nicht so akzeptieren, wie ich bin. Stattdessen habe ich bewusst Menschen gesucht, die mich nicht ändern wollen, sondern mein Anderssein als Stärke sehen.
- Selbstfürsorge. Rückzug, Pausen, das Eintauchen in Bücher und Schreiben – all das hat mir gezeigt, dass mein inneres Tempo genauso richtig ist wie das Tempo anderer.
Warum dein Anderssein wertvoll ist
Wenn du dich manchmal fragst, ob du genug bist, möchte ich dir sagen:
Du bist genug. Genau so, wie du bist.
Anderssein bedeutet, die Welt auf eine eigene Art wahrzunehmen. Vielleicht bist du empathischer, vielleicht kreativer, vielleicht nachdenklicher. All das sind Geschenke, auch wenn sie manchmal schwer zu tragen sind. Dein Anderssein macht dich zu einem Menschen, der Tiefe schenkt, der die Welt bunter macht, der inspiriert.
Eine Frage an dich
Was macht dich einzigartig, auch wenn du es manchmal als Schwäche empfindest?
Vielleicht findest du beim Nachdenken eine Antwort, die dir zeigt: Dein Wert hängt nicht davon ab, wie sehr du dich anpasst. Dein Wert liegt darin, dass du du selbst bist.
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